Leben und Chemie? Was hat das miteinander zu tun? Ganz einfach! Alles.
Ohne Chemie kein Leben. Nur mit Hilfe der Chemie kann man die Vorgänge erklären, die unsere Körper am laufen halten. Alle Vorgänge lassen sich letztendlich herunterbrechen auf Reaktionen zwischen Molekülen…die natürlich organisiert sind in Zellen, Organen, Geweben und schließlich im ganzen Organismus und seiner Umwelt.
Aber halt…was sind Moleküle eigentlich genau? Das will ich heute erklären. Keine Sorge, ich werde nicht ins Detail gehen – das hier soll ja kein Chemiekurs werden. Aber um einige der zukünftigen Artikel über Lebensvorgänge zu verstehen, ist ein grundlegendes Verständnis wichtig.
Atome – Bausteine der Materie
Als erstes müssen wir uns dazu aber die Bausteine anschauen, aus denen alle Materie zusammengesetzt ist: die Atome. Auf den Punkt am Ende dieses Satzes könnten 12 Billionen Atome passen.
Alle Atome sind aus drei immer gleichen Bestandteilen aufgebaut: einem Kern aus Protonen und Neutronen und aus Elektronen, die sich wie Satelliten im Orbit auf verschiedenen Bahnen um den Kern bewegen (das stimmt so nicht ganz genau, aber an dieser Stelle ist dieses Bild genau genug).
Protonen haben eine positive Ladung und Elektronen eine negative – das spielt eine Rolle für die Eigenschaften von Substanzen und für chemische Reaktionen. Im Grundzustand haben Atome gleich viele Protonen und Elektronen. Die Ladung gleicht sich aus und das Atom ist elektrisch neutral.

Atome können sich durch die Anzahl der Protonen unterscheiden. Atome mit der gleichen Anzahl von Protonen werden einem chemischen Element zugeordnet.
Oder umgekehrt ausgedrückt: ein chemisches Element (den Begriff kennt sicher fast jeder) ist eine Reinsubstanz, die nur aus einem einzigen Typ von Atomen besteht.
Gold, Silber und Eisen gehören dazu, aber auch Calcium und Magnesium oder Chlor. Es sind 94 natürliche Elemente bekannt. Alle festen, flüssigen und gasförmigen Stoffe sind aus verschiedenen Kombinationen dieser Grundbausteine aufgebaut.
Auch Atome wollen glücklich sein – oder der Wettstreit um die Elektronen
Wichtig für die Biologie sind allerdings vor allem die Elektronen, denn ihr Verhalten hat einen großen Einfluss darauf, wie chemische Reaktionen ablaufen und wie gerne Atome sich mit anderen Atomen verbinden.
Die Elektronen bewegen sich in verschiedenen Ebenen, die man Schalen nennt, um den Kern. Besonders wichtig ist die äußerste Schale. Normalerweise passen acht Elektronen, die immer Zweier-Pärchen bilden, in diese Schale. Ein Atom mit acht Elektronen in der äußeren Schale ist zufrieden und stabil.
Hat ein Atom aber weniger Elektronen, dann strebt es danach, ebenfalls zufrieden zu sein und acht Elektronen in seiner äußeren Schale zu haben. Außer Wasserstoff…der hat nur eine einzige Schale und ist mit zwei Elektronen glücklich.

Und deshalb schließen solche Atome sich gerne mit anderen zusammen, um die Elektronen zu teilen. Manchmal geben sie aber auch ein oder mehrere Elektronen an andere Atome ab oder nehmen sie auf.
Bei diesen Vorgängen verbinden sich Atome mehr oder weniger fest miteinander – es entstehen Moleküle.
Verbindungen und Moleküle – Lösungen für den Wettstreit um Elektronen
Moleküle können aus nur zwei bis drei Atomen bestehen, wie z.B. Wasser (H2O, also zwei Wasserstoff-Atome und ein Sauerstoff-Atom) oder aus einer sehr großen Zahl, wie z.B. ein Eiweiß-Molekül (Protein) oder die DNA.
Lösung 1: Gerechtes Teilen
Am stabilsten sind Verbindungen, wenn sich Atome die Elektronen teilen. Sie wollen sich dann einfach nicht mehr freiwillig loslassen.
Moleküle mit solchen Bindungen haben meistens auch eine gleichbleibende räumliche Anordnung. Die Anordnung bleibt sogar dann gleich, wenn die Verbindung Teil eines viel größeren Moleküls ist. In Lebewesen ist diese Eigenschaft sehr wichtig für die Funktion der Moleküle.
Lösung 2: Teilen – aber einer bekommt mehr
Wenn sich Atome unterschiedlicher Elemente miteinander verbinden, zieht oft eines der Atome die geteilten Elektronen stärker an, weil es mehr positiv geladene Protonen hat. Weil Elektronen ja negativ geladen sind, hat dann dieses Ende der Verbindung eine negative Ladung. Das Molekül hat dadurch einen Plus- und einen Minus-Pol.
So können sich dann auch einzelne Moleküle gegenseitig anziehen und durch die Anziehung locker verbinden. Auch diese Eigenschaft ist sehr wichtig dafür, wie Moleküle in Lebewesen funktionieren.
Lösung 3: Einfach alles nehmen oder geben
Manchmal haben Atome auch so eine unterschiedliche Anziehung auf Elektronen eines anderen Atoms, dass sie das Elektron gleich ganz zu sich ziehen.
Das passiert besonders dann, wenn beide beteiligten Atome extrem unzufrieden sind mit der Anzahl der Elektronen in ihrer äußersten Schale. Es kann dann auch mehr als ein Elektron übertragen werden.
Das Ergebnis ist die Entstehung elektrisch geladener Partikel, die aber zufriedener sind mit ihrer ursprünglichen Anzahl an Elektronen – und deshalb stabiler. Diese Partikel nennt man Ionen.
Die gleichen Atome, die sich gegenseitig Elektronen entzogen haben, können sich dann aufgrund der unterschiedlichen Ladung stark anziehen und so feste Verbindungen bilden. Ein Beispiel dafür ist Natriumchlorid, also Kochsalz. Auch Ionen spielen eine sehr bedeutsame Rolle für Lebewesen.

Von Wassserfreunden und Wasserfeinden – oder gleich und gleich gesellt sich gern
Substanzen mit polaren Molekülen und Ionen verhalten sich anders als solche mit unpolaren Molekülen. Dabei gilt: Gleich und gleich gesellt sich gern.
Polare Moleküle treten besonders gerne mit anderen polaren Molekülen oder Ionen in Wechselwirkung, weil sich ihre unterschiedlichen Ladungen anziehen.
Wassermoleküle sind polar. Deshalb ist Wasser auch so ein gutes Lösungsmittel.
Die Wassermoleküle lagern sich an Ionen oder andere polare Moleküle an und verhindern so, dass diese sich wieder zu einem festen Stoff verbinden. Substanzen, die sich so in Wasser lösen, werden „wasserfreundlich“ (hydrophil) genannt.

Auch unpolare Substanzen bleiben unter sich, denn eben weil sie unpolar sind, findet kaum eine Wechselwirkung mit den polaren Molekülen oder mit Ionen statt. In Wasser lagern sich diese Moleküle oft zusammen.
Darum werden sie „wasserfeindlich“ (hydrophob) genannt. Öle und Fette sind z.B. hydrophob – darum schwimmen Fettaugen auf der Suppe. Die Wechselwirkungen zwischen den unpolaren Molekülen sind eher schwach, aber sie sorgen dafür, dass die Moleküle zäh zusammenkleben.
Nachdem wir nun geklärt haben, was ein Molekül ist, wie sich Moleküle bilden und welche Arten von Verbindungen zwischen Atomen es gibt, bleibt noch die Frage, was bei einer chemischen Reaktion passiert.
Chemische Reaktionen: Nichts geht jemals verloren!
Bei einer chemischen Reaktion verbinden sich Atome oder wechseln ihren Bindungspartner. Dabei werden niemals Atome geschaffen oder zerstört, sie werden nur ausgetauscht.
Außerdem wird für chemische Reaktionen entweder Energie benötigt (z.B. Wärme) oder es wird Energie freigesetzt (z.B. als Wärme oder Licht). Auch für Energie gilt, dass sie nie neu geschaffen oder zerstört wird, sondern immer nur in andere Energieformen umgewandelt.
Glühbirnen zum Beispiel verbrauchen keine elektrische Energie, sondern wandeln sie in Licht- und Wärmeenergie um. Energie kann deshalb auch als „Fähigkeit zur Veränderung“ verstanden werden.
Diese Eigenschaften von Energie und die Umwandlung der Energieformen bei chemischen Reaktionen sind von immenser Bedeutung für Lebewesen – sie halten unsere Körper am laufen.
Energie!
Übrigens wird Energie in der allseits bekannten Einheit „Kalorie“ gemessen (oder in Joule). Eine Kalorie ist die Wärmemenge, die benötigt wird, um 1 g reines Wasser von 14,5°C auf 15,5°C zu erhitzen. (Da Wasser bei unterschiedlichen Temperaturen unterschiedlich viel Energie braucht, um sich zu erwärmen, wird für die Einheit genau dieser Schritt verwendet, auch wenn es umständlich und merkwürdig erscheint.)
Aber Achtung: die Kalorien, die wir aus der Ernährungsberatung kennen, sind eigentlich Kilo-Kalorien, also 1000 Kalorien.
Wenn wir also am Tag 2000 Kilokalorien mit der Nahrung aufnehmen, kann unser Körper das in (fast – ein bisschen Verlust gibt es immer) so viel Energie umwandeln, wie man brauchen würde, um unglaubliche 2 Millionen Mal 1 g Wasser (das entspricht etwa 2000 Litern) um 1°C (von 14,5°C auf 15,5°C) zu erwärmen.
Natürlich haben unsere Zellen Tricks, diese Energie zu speichern und dann für alle möglichen Reaktionen zu verwenden, die Energie erfordern.
Moleküle aus Kohlenstoff und Wasserstoff – Grundgerüst der Lebewesen
Alle Moleküle, aus denen Lebewesen aufgebaut sind und die Funktionen in Lebewesen übernehmen bestehen aus einem Grundgerüst aus Kohlenstoff-Atomen, an die jeweils Wasserstoff-Atome gebunden sind.
Solche Moleküle heißen deshalb organische Moleküle. Das Grundgerüst hat den Vorteil, dass es unpolar und damit nicht wasserlöslich ist.
Außerdem geht Kohlenstoff gerne Verbindungen mit allen möglichen anderen Elementen ein, und das praktischerweise schon bei Raumtemperatur. Diese Bindungsfreudigkeit ermöglicht eine große Vielfalt an Strukturen.
Durch die verschiedenen Bindungspartner an den Kohlenstoff-Atomen erhalten organische Moleküle ihre Funktion. Besonders häufig verbinden sich die Kohlenstoff-Atome neben Wasserstoff mit Sauerstoff, Stickstoff, Schwefel und Phosphor.

Die Bedeutung der Riesen-Moleküle
Die wichtigsten organischen Moleküle in Lebewesen bestehen normalerweise nicht nur aus ein paar wenigen Atomen. Sie sind zusammengesetzt aus vielen kleineren Molekülen, die sich miteinander verbinden.
Dadurch können biologische Moleküle ungeheuer komplexe Strukturen und Funktionen haben. Sie erfüllen häufig mehr als nur eine Aufgabe.
Sie können als Gerüst dienen oder als Schutz, sie sind Katalysator für chemische Reaktionen in Zellen, sie transportieren kleinere Moleküle, schützen Zellen, ermöglichen Bewegung, speichern Informationen und regulieren die Verhältnisse von Substanzen in den Zellen.
Es gibt vier Gruppen solcher Makromoleküle in Lebewesen – und diese dürften kaum jemandem unbekannt sein: Proteine, Fette, Kohlenhydrate und Nucleinsäuren (aus denen z.B. die DNA, das Erbmaterial in unseren Zellen besteht). Es ist also nicht verwunderlich, dass besonders die ersten drei von großer Bedeutung für unsere Ernährung sind.
Moleküle dieser vier Gruppen kommen in Lebewesen etwa im gleichen Mengenverhältnis vor. Sie entstanden zum Beginn des Lebens und ähneln sich seither in allen Lebewesen.
Ein bestimmtes Protein, das in einem Baum, einem Pilz und einem Säugetier vorkommt, hat in jedem vermutlich eine sehr ähnliche Funktion. Diese große Einheitlichkeit hat einen großen Vorteil: Lebewesen können sich von anderen Lebewesen ernähren. Das Leben erzeugt also selbst die Substanzen, die notwendig sind, damit Leben weiter besteht.

Das Leben: Mehr als ein Haufen Materie
Wir werden vielleicht nie sicher erfahren, wie sich das ungeheuer komplexe Zusammenspiel von Molekülen und chemischen Reaktionen entwickelt hat, die dafür sorgen, dass unsere Körper und Zellen funktionieren.
Warum sind wir nicht einfach ein Haufen ziemlich komplexer Materie, sondern denkende und fühlende Wesen? Wesen die aus sich heraus aktiv sind und sich verändern – und nicht, weil sie von außen angetrieben werden? Chemie und Biologie können darauf bisher keine Antwort geben.
„Die Beschreibung, wie Lebewesen sich verändern, erklärt nicht, was Leben ist.“
(Karl Ernst von Baer, übernommen aus „Alles fühlt“ von Andreas Weber, 2007)
Dieses Zitat stammt aus dem 19. Jahrhundert, aber es ist heute nicht weniger wahr.
Zum Weiterlesen:
Woher kommen wir, wohin gehen wir, was soll das hier? –> Über die Geschichte des Lebens.
Was ist Leben? –> Über die Definition von „Leben“ in der Biologie.
Am Anfang war die Zelle –> Über Zellen, die Grundbausteine der Lebewesen und Schauplatz unzähliger chemischer Reaktionen.